Wie du mir, so ich dir
Ein Plädoyer für den fairen Umgang mit Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern im Amateurfußball.
Ein Plädoyer für den fairen Umgang mit Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern im Amateurfußball
Als Fußballmannschaft ist man hin und wieder Thema der Berichterstattung in den Medien. Möglicherweise, weil man sich als Außenseiter in einer Hallensaison in einen Rausch spielt und höherklassige Teams teilweise deutlich schlägt. Diese großartige Erfahrung durften wir im vergangenen Winter machen. Oder aber, man kommt als Aufsteiger in der Kreisliga bei einem Derby mal so richtig unter die Räder und kassiert eine derbe Niederlage. Auch diese Ehre wurde uns vor gerade einmal vier Wochen zuteil. Im Mittelpunkt des lokalen Interesses zu stehen, gehört als Amateursportler dazu. Leider gibt es aber auch eine dritte Möglichkeit, Bestandteil einer Geschichte zu werden, die man eigentlich unter allen Umständen vermeiden möchte. Nämlich dann, wenn das Thema im Sportteil am Montag nichts mit dem Spiel zu tun hat, dass man am Wochenende bestritten hat.
Rückblick.
Mit einem ersatzgeschwächten Kader traten wir am Sonntag, den 12. November 2017 zum Auswärtsspiel beim abgeschlagenen Tabellenschlusslicht SV Melle Türkspor an. Für uns war klar, dass der Gegner trotz seiner Platzierung nicht zu unterschätzen sein würde. Schon gar nicht, weil uns ein paar wichtige Stammspieler fehlten. Bei nasskaltem Regenwetter entwickelte sich dann genau das Spiel, das wir eigentlich nicht spielen wollten. Ungenaue Pässe im Spielaufbau, wenig Laufbereitschaft ohne und gegen den Ball und Ideenlosigkeit vor dem gegnerischen Tor stärkten unseren Gegner. So war es nicht verwunderlich, dass wir im Laufe der zweiten Halbzeit in Rückstand gerieten. In Folge eines Einwurfs, der durch unseren Strafraum segelte und irgendwie reingedrückt werden konnte. Normalerweise verliert man so ein Spiel dann einfach und wird beim nächsten Training mit Steigerungsläufen bestraft. Normalerweise.
Denn verlassen konnten wir uns an jenem tristen Novembertag doch auf etwas. Und zwar auf unsere konditionellen Vorteile, die sich zehn Minuten vor Schluss zum Glück noch in einen Ausgleichstreffer ummünzen ließen. Irgendwie ein halbes Eigentor des Gegners, ist dann auch egal in so einer Situation. Dieses Tor gab wohl den Impuls für den bis dahin ebenbürtigen und fairen Gegner, sich aus Frust zu Unsportlichkeiten hinreißen zu lassen. Der erste Spieler foulte zum zweiten Mal gelbwürdig und musste den Platz verlassen. Gegen dezimierte Meller gelang uns kurze Zeit später der Führungstreffer, der den Auslöser für das finale Fehlverhalten einiger gegnerischer Spieler bedeutete. Es folgten verbale Entgleisungen gegenüber dem Schiedsrichter, der einen weiteren Spieler mit einer glatt roten Karte des Feldes verweisen musste. Über ein taktisches Foul unsererseits im Mittelfeld wurde solange mit dem Unparteiischen diskutiert, dass dieser die angekündigte Nachspielzeit von drei Minuten beendete, bevor eben jener Freistoß von Melle ausgeführt wurde.
Abpfiff. Glücklicher Auswärtssieg.
Das wiederrum führte zu neuerlichen mündlichen Ausrutschern gegenüber dem Schiedsrichter und weiteren Platzverweisen für Meller Spieler nach Abpfiff. Man fühlte sich benachteiligt. Die Stimmung kochte hoch, der Schiedsrichter und sein Gespann wurden bedrängt. Was im Detail passierte, können wir nicht schildern. Wir versammelten uns nach dem Schlusspfiff in unserem obligatorischen Kreis am Spielfeldrand, um den mehr oder weniger unverdienten Sieg zu feiern. Es steht der Vorwurf im Raum, der Meller Trainer habe den Schiedsrichter getreten. Das können wir weder bestätigen, noch können wir es widerlegen.
Ob der Schiedsrichter nun getreten wurde oder nicht, soll das Sportgericht klären. Im Grunde ist allein die Diskussion darüber schon ein Armutszeugnis für alle Beteiligten. Man sollte nur froh sein, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist. Deshalb bietet sich dieses Beispiel an, um auf ein grundsätzliches Problem hinzuweisen: Gewalt gegenüber Schiedsrichtern im Amateurfußball.
Eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt am Main aus dem Jahr 2015 hat ergeben, dass 60% aller Amateurfußballschiedsrichter nach eigener Aussage manchmal bis häufig beleidigt werden und ein Viertel der Referees tatsächlich bereits Gewalt am eigenen Körper erlitten hat, während sie ein Spiel in den Niederungen des Freizeitfußballs pfiffen. Von 100 Unparteiischen wurden also 25 in ihrer Laufbahn schon einmal geschlagen, getreten, bespuckt oder beworfen. Wenn man als Amateurkicker also vier Schiedsrichter aus der Umgebung persönlich kennt, ist einer davon betroffen.
Diese traurige Wahrheit wirft Fragen auf.
Warum lassen wir zu, dass Menschen, die freiwillig und für wenig Geld jedes Wochenende auf unseren Fußballplätzen für einen geregelten Spielablauf sorgen wollen, Opfer von Pöbeleien und körperlicher Gewalt werden? Warum wird der Sport – und unser Fußball als schönste Nebensache der Welt im Besonderen – als Ventil für angestauten Frust aus dem familiären oder beruflichen Umfeld missbraucht? Warum besteht die einzige nennenswerte Präventionsmaßnahme seitens des Deutschen Fußball-Bundes darin, kostenlose Ordnerwesten und Online-Schulungen für Vereine zur Verfügung zu stellen? Könnte das Verhalten mancher Profi-Fußballer gegenüber Gegenspielern während der Spiele in den Stadien ein schlechtes Vorbild für Jugendliche abgeben? Reicht ein „Fair Play“-Werbespot während der Champions League-Konferenz, um Respekt gegenüber Fremden zu vermitteln? Oder ist Gewalt gegenüber Amateurfußballschiedsrichtern eine negative Randerscheinung eines gesamtgesellschaftlichen Missstandes?
Fragen, die wir als kleiner Verein nicht beantworten können. Glücklicherweise kann man davon ausgehen, dass der größte Teil der Amateurfußballer Hass und Gewalt genauso ablehnt und verurteilt wie wir es tun. Leider sind es die negativen Einzelfälle, die hin und wieder die Schlagzeilen bestimmen und gegen die trotzdem zu wenig unternommen wird.
Als unmittelbar involvierter Club kommt man nicht umher, Stellung zu den Vorfällen vom 12. November 2017 zu beziehen. Das fällt in diesem Beispiel nicht schwer:
Der TuS Hilter distanziert sich ausdrücklich von jeglicher Form von Hass gegenüber gegnerischen Mannschaften und Schiedsrichtern sowie deren Assistenten. Wir dulden niemanden in unseren Reihen, der Gewalt gegenüber Gegnern, Unparteiischen oder sogar Mitspielern propagiert. Niemals.
Ein Beitrag von Lukas Tappmeyer
Im Namen des Vorstands
Hilter, den 21.11.2017
Quellen:
Psychologische Studie der Goethe-Universität Frankfurt am Main
www.spiegel.de – Artikel über Gewalt gegen Amateurfußballschiedsrichter
www.dfb.de – Gewaltpräventionsmaßnahmen